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Workshop

Formen des Infinitesimalen. Leibniz und die Verbindung zwischen Mathematik und Literatur | 10.–11.06.2021

Aus einem “Abgrunde” habe es ihn gezogen, erklärt Leibniz in seiner oft übergangenen kleinen Schrift De libertate, contingentia et serie causarum, providentia von 1689, als er begonnen habe, jene “Möglichkeiten, die weder sind, noch sein werden”, genauer in Augenschein zu nehmen. Denn wenn es Mögliches gibt, welches nie zur Existenz gelangt, so ist das Existierende in seiner Erscheinungsweise keinesfalls notwendig, sondern kontingent. Nicht wenig zu dieser Einsicht haben ausgerechnet die “Erdichtungen (fabulae)” beigetragen, wie sie sich in “Romanen” finden: werden diese doch auch dann “an sich für möglich gehalten”, wenn sie in der existierenden “Reihe des Universums (serie Universi)” zu keiner Verwirklichung kommen. Eine Bestätigung für diese Denkweise habe schließlich die Mathematik geliefert, und zwar das Infinitesimalkalkül oder genauer, die Beschaffenheit der sogenannten infiniti (infinitesimalen ‚Größen’). Aus dieser bei Leibniz als epistemischem Umbruch inszenierten Zusammenführung von Dichtung und Mathematik ergeben sich nun eine Reihe folgenreicher Bezüge und neuer Praktiken. Denn in dem Moment, in dem fabula und infiniti in Analogie gebracht werden und daraus folgend auch die Materie und das Wissen von ihr als kontingent erscheinen, erweist sich jeder Zugang zur Welt als stets nur vorläufig und unabdingbar einer prozessualen Pragmatik unterworfen. – Anders gesagt entstehen bei Leibniz aus einer komparativen Epistemik von Dichtung und Mathematik neue Formen im Umgang mit dem Infinitesimalen selbst und damit auch neue Praktiken der Verwaltung von kontingentem Wissen. Der Workshop möchte diesem Zusammenhang von Infinitesimalrechnung, Kontingenz und Roman in seinen verschiedenen Implikationen, Ramifikationen und Fortschreibungen bei Leibniz und in der Leibniz-Rezeption nachgehen. Ausgehend von kurzen Impulsbeiträgen der Teilnehmer*innen weitere ausgewählte Texte von Leibniz und aus der Geschichte unterschiedlicher Wiederaufnahmen diskutieren, die an die beschriebene Problematik anschließen.

Mit Vorträgen von Rüdiger Campe (Yale), Astrid Deuber-Mankowsky (Bochum), Christiane Frey (Aachen), Niklaus Largier (Berkeley), Anja Lemke (Köln), Armin Schäfer (Bochum), Kathrin Schuchmann (Köln), Johanna Schumm (München), Bernhard Siegert (Weimar), Alexander Waszynski (Bochum). 

Eine Änderung des Programms finden Sie im Flyer.