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Auerbach Lecture | 19.12.2022 | 18 Uhr

Marc Rölli (Philosophie, Leipzig): Fabulieren. Entwurf einer Philosophie der Fiktion 

Abstract

In der aktuell stark rezipierten queer-feministischen und neo-terrestrischen Literatur spielt eine philosophische Denkfigur eine prominente Rolle: Henri Bergsons „Fabulieren“. Vielleicht erscheint sie attraktiv, weil sie im Unterschied zu den traditionellen Vorstellungen über die Phantasie und das Imaginäre als eine „produktive Einbildungskraft“ fungiert, die quasi im Herzen der Erfahrung operiert – und gerade nicht in einem separierten und irrealen Raum. Sie mag im „storytelling“ oder „feminist worldmaking“ wirksam sein, aber sie stützt sich nicht auf ein anthropologisches Ideal, sondern entfaltet sich entlang der Bruchlinien zeitgenössischer Subjektivierungsprozesse. Fabulieren gründet nicht in einer utopischen Heilsquelle, sondern affirmiert immanente Lebensverhältnisse: mit Donna Haraway stecken ihre Kräfte inmitten kollektiver Überlebenspraktiken und werden dort auch dringend gebraucht („staying with the trouble“). Sie sind tentakulären Typs und hantieren wie die Kraken mit unbestimmten Vielheiten, die nicht in einem Bild des Schreckens (bzw. des Todes) aufgefangen werden können.

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