Die beseelte Welt: Eine Wissenschaftsarchäologie des Panpsychismus
Ziel des vorgeschlagenen Projektes von Roling und Reuke ist es, nicht zuletzt die Ergebnisse der gegenwärtigen Anthropologie des ontological turn aufnehmend, eine philosophiehistorische Ethnologie der Beseelung der „westlichen“ Welt zu schreiben. Dabei wollen wir es nicht allein bei der Aufzeichnung verschiedener Positionen aus Früher Neuzeit und radikaler Frühaufklärung in Frankreich, dem Deutschen Idealismus, der Mythenforschung im 19. Jahrhundert, dem Vitalismus zu Anfang des 20. Jahrhunderts, dem New Materialism und dem gegenwärtigen Panpsychismus belassen, sondern die hier versammelten, mit dem Vokabular der Kulturanthropologie „animistischen“, Positionen auch philosophisch-historisch verteidigen. Dies scheint uns, neben dem philosophiehistorischen Desiderat einer solchen Geschichte unter Einbezug anthropologischer Forschung, auch in Anbetracht der Notwendigkeit einer anderen Konzeption der Natur und eines anderen Umgangs mit ihr unumgänglich: Wir wollen zeigen, dass die Allbeseelung der Welt eine historisch und philosophisch plausible Position darstellt, die den Welt- und Naturbegriff (und in der Folge auch den Kulturbegriff), wie wir ihn heute üblicherweise haben, herausfordern kann. Im historischen Durchgang wollen wir eine Wissenschaftsarchäologie des Panpsychismus entwerfen, die diesen auch als gewordene Philosophie ernst nimmt und verteidigt – und so den oben genannten Positionen auch das geschichtliche Fundament geben, das sie benötigen.
Bernd Roling
Vita
Bernd Roling studierte an der Universität Münster Lateinische Philololgie, Mittellateinische Philologie, Philosophie, Geschichte, Hebräisch und Indologie und promovierte dort nach dem Ersten Staatsexamen im Jahre 1999 im Jahre 2003 mit der Arbeit 'Aristotelische Naturphilosophie und christliche Kabbalah im Werk des Paulus Ritius'. Drei Jahre später habilitierte er sich in Münster mit der Studie 'Locutio angelica. Die Diskussion der Engelsprache als Antizipation einer Sprechakttheorie' und erhielt die venia legendi in Mittellateinischer Philologie. Von 2007-2010 war er wissenschaftlicher Assistent am Thomas-Institut in Köln. Nach Lehrstuhlvertretungen in Münster und Göttingen ist er seit 2010 W3-Professor für Klassische Philologie an der Freien Universität Berlin. Einen Ruf nach Freiburg lehnte er im Jahre 2017 ab.
Forschungsschwerpunkt
Wissenschafts- und Philosophiegeschichte der Frühen Neuzeit
Geschichte der Universitäten
Kultur- und Literaturgeschichte Skandinaviens
Publikationen (Auswahl)
Christliche Kabbalah und aristotelische Naturphilosophie im Werk des Paulus Ritius († 1541), Tübingen 2007 (Niemeyer) (Frühe Neuzeit 121).
Locutio angelica. Die Diskussion der Engelsprache im Mittelalter und der Frühen Neuzeit als Antizipation einer Sprechakttheorie (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 91), Leiden (Brill) 2008.
Drachen und Sirenen: Die Aufarbeitung und Abwicklung der Mythologie an den europäischen Universitäten (Mittellateinische Texte und Studien 42) Leiden (Brill) 2010.
Physica Sacra: Wunder, Naturwissenschaft und historischer Schriftsinn zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit (Mittellateinische Studien und Texte 45), Leiden (Brill) 2013.
Odins Imperium. Der Rudbeckianismus als Paradigma an den skandinavischen Universitäten (1680–1860) (Mittellateinische Studien und Texte 54) (2 Bde.), Leiden (Brill) 2020.
(gemeinsam mit Julia Weitbrecht). Das Einhorn. Geschichte einer Faszination. München (Hanser) 2023. Spanisch 2024.
Als Herausgeber:
(gemeinsam mit Ramunė Markevičiūtė), Die Poesie der Dinge. Ziele und Strategien der Wissensvermittlung im lateinischen Lehrgedicht der Frühen Neuzeit, Berlin 2021.
(gemeinsam mit Hartmut Beyer, Sinem Derya Kılıç und Benjamin Wallura), Alte und neue Philosophie. Aristotelismus und protestantische Gelehrsamkeit in Helmstedt und Europa (1600–1700) (Wolfenbütteler Forschungen 175), Wolfenbüttel 2023.