Die Öffentlichkeit(en) der ‚Welt‘ im prä- und postbürgerlichen Zeitalter
‚Welt‘ als perspektivische und damit historisch wandelbare Vorstellung wird durch intersubjektive und kollektive diskursive Aushandlungsprozesse und damit durch Öffentlichkeiten konstituiert, die Raum für Austausch und Vernetzung bieten, aber auch Grenzziehungen und Ausschließungen vollziehen. Konstitutionen von Zentrum und Peripherie, die sich auf der Durchsetzung und Aushandlung von Machtansprüchen gründen, kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Der Frage, wie bestehende Kulturhegemonien ihre zentralen Geltungsansprüche durch die Bildung und Steuerung von ‚Öffentlichkeit‘ durchsetzen und aufrecht erhalten, wie sich aber gleichzeitig auch durch periphere Praktiken so etwas wie graduelle Öffentlichkeiten konstituieren und sich so eine Pluralität herausbildet, die mit der Vorstellung eines verbindlichen Weltbilds in Konflikt gerät, gehen Charlotte Coch und Marlene Meuer in ihrem Kooperationsprojekt „Die Öffentlichkeit(en) der ‚Welt‘ im prä- und postbürgerlichen Zeitalter“ nach. Das Kooperationsprojekt widmet sich einem historischen Crossmapping von prä- und postbürgerlichen Räumen und der hier jeweils erzeugten, ermöglichten oder verunmöglichten Weltkonstruktionen. Die Ausgangsthese lautet, dass es eine spezifische Verwandtschaft zwischen den Weltzugängen der Frühen Neuzeit und denjenigen der Gegenwart gibt, die sich über ihren je unterschiedlichen Abstand und die darin enthaltene Alternativen zu zentralen bürgerlichen Dichotomien und Raumaufstellungen erklären lässt.
Marlene Meuer
Vita
Marlene Meuer ist Literatur- und Kulturwissenschaftlerin mit komparatistischer Ausrichtung. Ab Januar 2025 wird sie als Humboldt-Stipendiatin an der University of Warwick forschen. Vorgängige Fellowships führten sie u.a. an das Goldsmiths College in London (2022-23), die Tschechische Akademie der Wissenschaften in Prag (2023) und zuletzt an das Wissenschaftskolleg Greifswald (2023-24). Nach ihrer kulturhermeneutischen Dissertation über ‚Polarisierungen der Antike‘ zur Aufklärungszeit (2017), schrieb sie ein zweites Buch über den ‚Laura‘-Zyklus in Schillers ‚Anthologie auf das Jahr 1782‘ (2018). Gerade geht sie einer Serie von Tagungen und Publikationen zum Thema ‚Grenzen der Künste im digitalen Zeitalter‘ nach (2 Bände 2024) und arbeitet an ihrer dritten Monographie über Avantgarden im postdigitalen Zeitalter.
Forschungsschwerpunkt
Aktuelle Forschungsschwerpunkte:
Avantgardeforschung: Künstlerische Überschreitungen von Form-, Gattungs- und Mediengrenzen; Gattungsmischung und Hybridformen (1910-1920 / 1960-1970 / 2000-2020)
Mediale Gegenwartskultur: Digitale und Postdigitale Sprachkunst. Neue Kunstformen des Literarischen im digitalen Zeitalter (1990-2020)
Konzepte und Theorien der (literarischen) Öffentlichkeit; kulturhegemoniale Machtansprüche und deren Überwindung
Literatur- und Kulturtheorie: Theorien und Methoden des historischen Crossmapping
Abgeschlossene Forschungsschwerpunkte:
Antik-christliche Kulturbegegnungsmuster in der europäischen Ideengeschichte der Neuzeit (1350-1830)
Erosphilosophie, Rhetorik der Liebe und Liebessemantik der ‚Sattelzeit' (1750-1830)
Publikationen (Auswahl)
Monographien:
„Der ‚Laura‘-Zyklus in Schillers ‚Anthologie auf das Jahr 1782‘“. (Beiträge zur neueren Literaturgeschichte - Bd. 380) Heidelberg: Winter 2018. [Postdoc-Studie, 'Second Book'; 403 Seiten]
„Polarisierungen der Antike. Antike und Abendland im Widerstreit - Modellierungen eines Kulturkonflikts im Zeitalter der Aufklärung“. Zugl. Freiburg, Univ., Diss., 2011. (Germanisch-Romanische Monatsschrift - Beiheft 85) Heidelberg: Winter 2017. [663 Seiten]
Herausgaben:
„Generative Literatur. Produktion und Rezeption im Zeichen des Codes“. Herausgegeben zusammen mit Stephanie Catani und Niels Penke. Sonderausgabe # 8 von Textpraxis. Digitales Journal für Philologie (1.2024).
„Grenzen der Künste im digitalen Zeitalter. Künstlerische Praktiken – Ästhetische Formen – Hermeneutische Verfahren“. Berlin: De Gruyter 2024.
Aufsätze:
„Ästhetische Herausforderung und konzentrierte Wiederholung. Aufmerksamkeitsökonomie als Valorisierungstechnik von (literarischen) Kunstwerken.“ In: Kristina Köhler, Benjamin Loy, Marlene Meuer, Christian Rößner und Lena Wetenkamp (Hg.): „Langsames Sehen. Wahrnehmungsdispositive der Entschleunigung“. Stuttgart: Steiner 2024.
„Grenzen der Künste im digitalen Zeitalter. Ein systematischer Problemaufriss“. In: „Grenzen der Künste im digitalen Zeitalter. Künstlerische Praktiken – Ästhetische Formen – Hermeneutische Verfahren“. Berlin: De Gruyter 2024.
„Postdigitale Sprachkunst. Die metapoetische Imagination generativer Literaturproduktion in Zbyněk Baladráns Videoessay ‚The Powerless Source of All Power‘“. In: Stephanie Catani, Marlene Meuer und Niels Penke (Hrsg.): „Generative Literatur. Produktion und Rezeption im Zeichen des Codes“. Sonderausgabe # 8 von „Textpraxis. Digitales Journal für Philologie“ (1.2024).
„Hölderlin und der Schwäbische Dichtungswettstreit“. In: „Hölderlin-Jahrbuch“ 43 (2022-2023), S. 85-109.
„Goethesche Telepathie? Die medienkünstlerische Inszenierung von Schreib- und Lektürepraktiken in der Webseiten-Trilogie ‚Methodology for Writing I.-III.‘ (‚metodologie psaní I.-III.‘) des Prager Künstlers Zbyněk Baladrán“. In: „Medium Buch. Wolfenbütteler interdisziplinäre Forschungen 2“ (2021), S. 135-155.
„Petrarcas Begründung der humanistischen Moralphilosophie: Rezeption und Relativierung der stoischen Tradition“. In: Barbara Neymeyr, Jochen Schmidt, Bernhard Zimmermann (Hrsg.): „Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Moderne“. 2 Bde. Berlin/New York: de Gruyter 2008, Bd. 1, S. 425-452.